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Neue Materialien aus Pflanzenfasern: 4 Hebel zur Förderung ihrer breiten Nutzung

Veröffentlicht am 06 September 2022 Lesen 25 min

Wenn man von Materialien aus Pflanzenfasern spricht, denkt man unweigerlich an Leinen- oder Baumwolltextilien. Aber kennen Sie auch andere Materialien, die aus diesen natürlichen Fasern bestehen können? Sie finden sich beispielsweise in Karosserien von Sportwagen, in Beton, Fahrradrahmen oder Surfbrettern – dort stellen sie eine leichtere Alternative zu Glasfasern und, in geringerem Maße, auch zu Carbonfasern dar. Zudem fördern sie das Recycling und verringern den ökologischen Fußabdruck des Endmaterials. Trotz dieser Vorteile ist ihr großflächiger Einsatz im Vergleich zu herkömmlichen synthetischen Fasern bislang noch begrenzt. In diesem Artikel beleuchten wir von Alcimed vier zentrale Hürden, die es noch zu überwinden gilt, um den Einsatz von pflanzenfaserbasierten Materialien weiter voranzutreiben.

Sicherstellung gleichbleibender Qualität von Pflanzenfasern

Einer der Hauptgründe, warum sich Pflanzenfasern bislang nicht in großem Maßstab durchgesetzt haben, ist ihre schwankende Qualität – eine Eigenschaft, die biologischen Materialien grundsätzlich innewohnt. Die molekulare Struktur dieser Fasern ist je nach klimatischen Bedingungen während des Pflanzenwachstums unterschiedlich. Diese Variabilität hat direkte Auswirkungen auf die Eigenschaften des Endmaterials.

Solche Schwankungen sind jedoch weder mit den regulatorischen Zulassungsverfahren, die auf standardisierte Materialien ausgelegt sind, noch mit den Erwartungen der Endkunden vereinbar, die bei gleichartigen Produkten eine konstante Qualität erwarten. Eine derzeit gängige Lösung besteht darin, die Naturfasern mit anderen – meist synthetischen – Fasern zu mischen.

Anpassung der Verarbeitungsverfahren an die Eigenschaften von Pflanzenfasern

Pflanzenfasern sind nicht immer mit bestehenden industriellen Verarbeitungsverfahren kompatibel. Extrusion, Spritzguss und Pressformen sind die derzeit häufigsten Verarbeitungsmethoden, erfordern jedoch Temperaturen zwischen 180 °C und 220 °C. Hanffasern beispielsweise beginnen sich bereits bei 160 °C zu zersetzen, was ihren Einsatz erheblich einschränkt.

Ein weiteres Hindernis ist die typische braune Farbe einiger Pflanzenfasern, die in Anwendungen, bei denen die Optik entscheidend ist, nicht gewünscht ist. Hier ist ein zusätzlicher Schritt zur Entfärbung erforderlich, was die Produktionsprozesse weiter verkompliziert.

Entwicklung neuer Harze und Funktionalisierungstechniken für Pflanzenfaser-Materialien

Ein weiteres zentrales Hindernis für die breite Nutzung von Pflanzenfasern ist ihre mangelnde Kompatibilität mit gängigen synthetischen Matrixmaterialien. Diese Inkompatibilität ergibt sich aus der unterschiedlichen Polarität der Polymere. Wenn eine ungeeignete Matrix verwendet wird, können Pflanzenfasern bis zu 130 % ihres Trockengewichts an Harz aufnehmen – was zu höheren Kosten, verschlechterten Materialeigenschaften und einem schwereren Endprodukt führt.

Lösungsansätze bestehen in der Funktionalisierung der Fasern, also dem chemischen Anpassen ihrer Oberflächeneigenschaften, sowie in der Entwicklung neuer, besser geeigneter Harze.

Neue Harze könnten zudem die mechanischen Eigenschaften biobasierter Verbundstoffe verbessern. Derzeit liegt deren Zugfestigkeit bei maximal 2000 MPa und das Elastizitätsmodul bei 85 GPa – im Vergleich zu 7000 MPa und 900 GPa bei Carbonfasern. Das schränkt ihren Einsatz in Hochleistungsanwendungen wie strukturelle Flugzeugbauteile derzeit stark ein.


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Aufbau lokaler Produktionsketten für Materialien aus Naturfasern

Naturfaserbasierte Materialien sind besonders wegen ihres geringen CO₂-Fußabdrucks im Vergleich zu konventionellen Materialien gefragt. So verursacht die Herstellung pflanzenfaserbasierter Verbundstoffe für Fahrzeuge bis zu 85 % weniger CO₂-Emissionen als bei der Verwendung von Carbonfasern – dank der Kohlenstoffbindung der Pflanze während ihres Wachstums und der besseren Recycelbarkeit der Biokomposite.

Frankreich ist zwar weltweit führend in der Produktion von Flachs und Industriehanf, doch andere Pflanzenfasern wie Jute oder Kenaf stammen überwiegend aus Bangladesch und Afrika. Der notwendige Ferntransport erhöht jedoch nicht nur den CO₂-Fußabdruck, sondern auch die Kosten erheblich.

In der Verbundstoffindustrie sind Pflanzenfasern hauptsächlich als Ersatz für Glasfasern vorgesehen, da sie bei vergleichbarer mechanischer Leistung eine geringere Dichte und oft ein besseres spezifisches Elastizitätsmodul aufweisen. Doch während der jährliche Bedarf an Glasfasern im Milliarden-Tonnen-Bereich liegt, erreichen Pflanzenfasern derzeit nur ein Produktionsvolumen von einigen tausend Tonnen – zu wenig für einen echten Marktdurchbruch.

Mit ihren vielen Vorteilen haben Pflanzenfasern ein großes Potenzial, neue Märkte zu erobern. Doch die variierende Qualität, fehlende Reife industrieller Prozesse, unzureichende lokale Produktionsketten und geringe Produktionsvolumina führen bislang zu Mehrkosten, die der Markt nur schwer akzeptiert. Forschung und Entwicklung bleiben daher zentrale Hebel, um diese Hürden zu überwinden und den Weg für eine großflächige Verbreitung pflanzenfaserbasierter Materialien zu ebnen.

Unser Team begleitet Sie gerne dabei, neue Märkte zu erschließen – sei es durch die Suche nach geeigneten Partnern oder bei der Entwicklung Ihrer strategischen Positionierung!


Über die Autorin, 

Elody, Consultant in Alcimeds Innovations- und Public Policy Team in Frankreich

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