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Mikro-RNAs in der In-vitro-Diagnostik: Versprechen und Herausforderungen

Veröffentlicht am 12 Juni 2025 Lesen 25 min

Die In-vitro-Diagnostik entwickelt sich rasant weiter – angetrieben durch Fortschritte in der Molekularbiologie und das Aufkommen innovativer Biomarker. Unter diesen Biomarkern stechen Mikro-RNAs (miRNAs) hervor, insbesondere aufgrund ihrer regulatorischen Funktion, ihrer Stabilität in biologischen Flüssigkeiten und ihrer häufig gewebespezifischen sowie krankheitsspezifischen Expression. Die Entdeckung ihrer Rolle als Regulatoren der Genexpression wurde 2024 sogar mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet. In diesem Artikel beleuchten wir von Alcimed die potenziellen Perspektiven für diagnostische oder therapeutische Anwendungen sowie die Herausforderungen, die mit ihrer Weiterentwicklung verbunden sind.

Mikro-RNAs und In-vitro-Diagnostik: vom Labor zur Klinik

Mikro-RNAs (miRNAs) sind kurze, nicht-kodierende RNA-Moleküle mit einer Länge von 19 bis 25 Nukleotiden, die die Genexpression regulieren – entweder durch Hemmung der Translation oder durch den Abbau von Boten-RNA (mRNA). Ein wesentlicher Vorteil der miRNAs ist ihre Stabilität: Eingebettet in Exosomen oder gebunden an Proteine, sind sie widerstandsfähig gegenüber ungünstigen Bedingungen, was ihre Detektion in verschiedenen biologischen Flüssigkeiten (Blut, Urin, Speichel) ermöglicht.

In der In-vitro-Diagnostik kommen verschiedene Techniken zur Detektion von miRNAs zum Einsatz. Die RT-qPCR gilt nach wie vor als „Goldstandard“ zur gezielten Quantifizierung, da sie eine hohe Sensitivität und Spezifität bietet. Mikroarrays und Next-Generation-Sequencing (NGS) hingegen erlauben eine umfassende Analyse von Expressionsprofilen. Jede dieser Methoden bringt spezifische Vorteile und Einschränkungen hinsichtlich Kosten, Durchlaufzeit und Reproduzierbarkeit mit sich – was das wachsende Interesse an einer Standardisierung der Protokolle erklärt.

Die Expressionsmuster von miRNAs werden bereits zur Früherkennung zahlreicher Erkrankungen eingesetzt – etwa bei bestimmten Krebsarten, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder neurologischen Störungen. So zeigen aktuelle Studien, dass sich bestimmte miRNA-Signaturen mit hoher Sensitivität und Spezifität dazu eignen, Patienten mit einer bestimmten Pathologie von gesunden Personen oder anderen Krankheitsbildern zu unterscheiden. Damit eröffnen miRNA-Signaturen die Möglichkeit einer nicht-invasiven, schnellen Diagnostik – mit Potenzial für die Integration in automatisierte Systeme.

Zukünftige Perspektiven der Mikro-RNA-Technologie

Der Markt für In-vitro-Diagnostiktests – insbesondere für molekularbiologische Biomarker – wächst rasant. Die Kombination solcher molekularen Signaturen mit klassischen Biomarkern (wie Proteinen) kann zu einer deutlich präziseren Diagnostik und zur gezielteren Steuerung therapeutischer Maßnahmen beitragen.

Die Fortschritte in der Analyse von miRNAs eröffnen mehrere vielversprechende Anwendungsfelder:

  • Früherkennung und personalisierte Medizin
    Die Integration von miRNA-Profilen in Entscheidungsalgorithmen könnte die Früherkennung von Erkrankungen wie Krebs noch vor dem Auftreten klinischer Symptome ermöglichen – und so den Weg für personalisierte therapeutische Ansätze ebnen.
  • Therapiebegleitung und Monitoring
    Die dynamische Analyse von miRNA-Expressionsmustern könnte als Indikator für den Therapieerfolg dienen, wodurch sich Behandlungspläne in Echtzeit anpassen und die Patientenversorgung optimieren ließe.
  • Entwicklung innovativer Diagnosesysteme
    Die Kombination von Mikrofluidik, Nanotechnologie und Künstlicher Intelligenz verspricht die Entwicklung integrierter, multiplexfähiger Plattformen, die mit minimalem Probenvolumen mehrere miRNAs gleichzeitig detektieren – was sowohl Zeit als auch Kosten spart und gleichzeitig den klinischen Anforderungen gerecht wird.

Diese vielversprechenden Perspektiven sind jedoch mit Herausforderungen verbunden, die ihre klinische Umsetzung derzeit noch einschränken.

Herausforderungen und Hürden auf dem Weg zur klinischen Anwendung

Trotz der zahlreichen Chancen bestehen weiterhin mehrere Hürden bei der Integration von miRNAs in die klinische Diagnostik:

  • Standardisierung der Protokolle
    Die Vielfalt an Extraktions- und Quantifizierungsmethoden führt zu einer hohen Ergebnisvariabilität. Es bedarf internationaler Standards, um die Vergleichbarkeit und Reproduzierbarkeit der Ergebnisse zwischen Laboren sicherzustellen.
  • Klinische Validierung im großen Maßstab
    Die meisten bisherigen Studien beruhen auf kleinen Patientenkohorten. Für eine belastbare Bewertung der diagnostischen Aussagekraft von miRNAs sind groß angelegte, methodisch saubere klinische Studien erforderlich.
  • Biologische Komplexität der Interpretation
    miRNA-Spiegel werden von zahlreichen physiologischen und pathologischen Faktoren beeinflusst, was zu hoher interindividueller Variabilität führt. Eine tiefgreifendere Kenntnis ihrer Regulation und der Interaktion mit biologischen Signalwegen ist notwendig, um eine präzise Interpretation zu gewährleisten.
  • Regulatorische Anforderungen und Investitionen
    Die Zulassung miRNA-basierter Diagnostiktests unterliegt strengen regulatorischen Vorgaben (z. B. FDA, EMA). Dies erfordert erhebliche Investitionen in Forschung, Entwicklung und Infrastruktur, um Qualitäts- und Sicherheitsstandards zu erfüllen.

Diese Herausforderungen werden in der Fachliteratur zunehmend thematisiert. Forschende rufen zu stärkerer Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Industrie und regulatorischen Behörden auf.

Mikro-RNAs bieten enormes Potenzial für die In-vitro-Diagnostik – dank ihrer Stabilität, spezifischen Expression und der Fähigkeit, pathologische Zustände präzise abzubilden. Dennoch steht ihre klinische Integration noch am Anfang. Eine konsequente Standardisierung der Methoden, robuste klinische Validierung und die Anpassung an regulatorische Anforderungen sind entscheidend für den erfolgreichen Einsatz.

Für Unternehmen aus den Bereichen Biotechnologie, Pharmaindustrie oder Medizintechnik bietet die Forschung im Bereich der miRNAs eine Chance auf bahnbrechende Innovationen in der Diagnostik. Wir von Alcimed begleiten Sie gerne bei der Entwicklung und Umsetzung Ihrer Projekte. Kontaktieren Sie unser Team.


Über den Autor, 

Antoine, Consultant in Alcimeds Healthcare Team in Frankreich

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