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SMR, AMR und MMR – wie könnte die Zukunft der Kernenergie aussehen?

Veröffentlicht am 02 Juli 2025 Lesen 25 min

Angesichts der klimatischen Herausforderungen und des stetig wachsenden Energiebedarfs (Strom, Wärme, andere Energieformen usw.) befindet sich die Kernenergie im Wandel. Neue Technologien entstehen, die eine flexiblere und sicherere Alternative zu herkömmlichen Reaktoren bieten sollen: SMR (Small Modular Reactor) und AMR (Advanced Modular Reactor). Diese Reaktoren der neuen Generation stoßen sowohl bei der Industrie als auch bei Regierungen auf großes Interesse – gleichzeitig stehen Unternehmen in Bezug auf die Entwicklung und Nutzung vor zahlreichen Herausforderungen. In diesem Artikel beleuchten wir von Alcimed die Funktionsweise dieser neuen Reaktoren, welche Ziele damit verfolgt werden und welche Hürden überwunden werden müssen – tauchen wir ein in die Zukunft der Kernenergie!

Was unterscheidet SMR, AMR und MMR?

Die Kernenergie wandelt sich mit dem Aufkommen kleinerer, modular aufgebauter Reaktoren. Diese neuen Technologien – SMR (Small Modular Reactor), AMR (Advanced Modular Reactor) und MMR (Micro Modular Reactor) – sollen eine flexiblere und sicherere Energieerzeugung ermöglichen als die großen herkömmlichen Reaktoren wie der EPR (European Pressurized Reactor).

Der EPR: Rückblick auf den „klassischen“ Reaktor

Der EPR (European Pressurized Reactor) ist ein Druckwasserreaktor der dritten Generation, der für eine höhere Leistungsfähigkeit optimiert wurde. Mit einer elektrischen Leistung von etwa 1600 MWe1MWe steht für die tatsächlich ins Stromnetz eingespeiste elektrische Leistung. stellt er die Weiterentwicklung konventioneller Reaktoren dar, wie sie seit Ende der 1980er-Jahre entwickelt wurden. Mit jeder Generation verbesserten sich Sicherheit, Brennstoffeffizienz und Abfallreduktion deutlich. Ein bekanntes Beispiel in Frankreich ist der EPR in Flamanville (trotz einiger Bauverzögerungen…), wobei andere in Frankreich betriebene EPRs noch zur zweiten Generation zählen.

SMR: modulare und beherrschbare Reaktoren

Small Modular Reactors (SMR) haben eine Leistung zwischen 50 und 300 MWe und basieren auf Technologien der dritten Generation. Sie sind modular konzipiert, was eine Serienfertigung im Werk und eine schnellere Installation vor Ort ermöglicht. Einige Projekte befinden sich bereits in der Test- oder Umsetzungsphase, wie etwa das Nuward-Projekt in Frankreich, das von EDF und weiteren Partnern getragen wird.

AMR: eine neue Generation fortschrittlicher Reaktoren

Advanced Modular Reactors (AMR) ähneln den SMR in ihrer Leistung (50–300 MWe), beruhen jedoch auf Technologien der vierten Generation. Sie integrieren verschiedene innovative Ansätze wie z. B. Flüssigsalzreaktoren oder Hochtemperaturreaktoren. Diese Reaktoren befinden sich noch in der Entwicklung – in Frankreich etwa durch Projekte wie Newcleo, das fortschrittlichere und vielversprechende Konzepte erforscht.

MMR: noch kompaktere Reaktoren

Micro Modular Reactors (MMR) sind Reaktoren mit sehr geringer Leistung zwischen 1 und 20 MWe, die sich besonders für abgelegene Standorte oder industrielle Anwendungen eignen. Sie kombinieren Technologien der dritten und vierten Generation und befinden sich derzeit ebenfalls in der Entwicklungsphase. Ein Beispiel ist das MMR Energy System des US-Unternehmens Ultra Safe Nuclear.

In welchen Bereichen können diese Reaktoren eingesetzt werden?

Das Aufkommen kleiner Kernreaktoren (SMR, AMR und MMR) basiert vor allem auf ihrem Potenzial zur CO₂-armen Energieerzeugung – mit vielfältigen Einsatzmöglichkeiten, die auf die Bedingungen vor Ort und industriellen Anforderungen zugeschnitten sind.

CO₂-arme Stromerzeugung: Hauptziel dieser Reaktoren ist es, emissionsfreien Strom bereitzustellen, um fossile Energien zu ersetzen. Besonders geeignet sind sie für abgelegene Regionen und stromintensive Industrien. Dieser Anwendungsfall wird als prioritär eingestuft und könnte die Energiewende vielerorts beschleunigen.

Dekarbonisierte Wärmeerzeugung: SMR und AMR können auch Wärme für Fernwärmenetze oder wärmeintensive Industrien wie die Stahl- oder Chemiebranche liefern. Dies wäre eine Alternative zu fossilen Brennstoffen in Hochtemperaturprozessen – ein Anwendungsfeld, das sich derzeit in der Entwicklung befindet.

Grüne Wasserstoffproduktion: Wasserstoff gilt als Schlüsselelement der Energiewende. Durch ihre kontinuierliche Stromproduktion könnten die Reaktoren Elektrolyseure betreiben, um sauberen Wasserstoff für energieintensive Industrien zu erzeugen. Technisch möglich, befindet sich dieser Einsatzbereich aber noch in der Prüfphase.

Meerwasserentsalzung: In Regionen mit begrenztem Zugang zu Trinkwasser könnten kleine Reaktoren eine Schlüsselrolle spielen, indem sie Entsalzungsanlagen mit Energie versorgen. Diese Anwendung wäre vor allem für Bevölkerungsgruppen mit eingeschränktem Zugang zu Trinkwasser von Bedeutung – wird aber ebenfalls noch untersucht.

Dekarbonisierung des Verkehrs: Eine langfristige Vision sieht vor, nukleare Energie für den Antrieb von Land-, See- und Luftverkehr einzusetzen. Dies würde jedoch technologische Durchbrüche und angepasste Infrastrukturen erfordern – und ist daher eher eine langfristige Perspektive.

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Großes Potenzial – und ebenso große Herausforderungen

Herausforderungen beim Start

Trotz ihrer Vorteile stehen kleine Kernreaktoren vor einigen Hürden, bevor sie im großen Stil genutzt werden können. Diese betreffen vor allem Wirtschaftlichkeit, Ressourcenverfügbarkeit und gesellschaftliche Akzeptanz.

  • Wirtschaftlichkeit: Damit die Reaktoren wirtschaftlich tragfähig sind, braucht es Skaleneffekte, die nur durch eine Serienproduktion erreicht werden können. Hinzu kommen administrative Hürden und regulatorische Anforderungen, die Investoren abschrecken können. Beispielsweise ist der Bau einer Sicherheitshülle gesetzlich vorgeschrieben – wobei deren Sinnhaftigkeit für SMR und AMR noch diskutiert wird. Bislang bleibt diese Vorschrift bestehen, was die Kosten erheblich erhöht und die Wirtschaftlichkeit beeinträchtigt.
  • Zugang zu Wasser: Der Rückgang verfügbarer Wasserressourcen könnte Standorte und Betrieb der Reaktoren beeinträchtigen.
  • Mangel an qualifizierten Spezialisten: In den letzten 40 Jahren ist die Zahl der Unternehmen mit Betriebsgenehmigung für Kernkraftwerke um 30 % zurückgegangen. Dies könnte Entwicklung und Wartung der Infrastruktur verlangsamen.
  • Akzeptanz: Kernenergie bleibt gesellschaftlich und politisch umstritten, insbesondere in Deutschland, was ihre Verbreitung hemmen kann.

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Herausforderungen beim Einsatz

Neben den technischen und wirtschaftlichen Anfangshürden kommen beim tatsächlichen Einsatz weitere strategische Fragen hinzu – insbesondere im Hinblick auf Energiesouveränität und geopolitische Aspekte.

Zu den zentralen Fragen zählen:

  • Welche abgelegenen Regionen haben Priorität? Der Zugang zu Energie in entlegenen Gebieten ist ein zentrales Thema.
  • Wie lässt sich Energiesouveränität gegenüber Exportländern sichern? Ziel ist es, strategische Unabhängigkeit zu wahren und neue Abhängigkeiten zu vermeiden.
  • Welche europäische Energiepolitik ist realistisch? Die Rolle Deutschlands in dieser Debatte ist besonders umstritten, während Belgien – zunächst aus der Kernenergie ausgestiegen – nun eine Rückkehr in Betracht zieht.

Auch wenn diese neuen Formen der Kernenergie kurz vor dem Durchbruch stehen, befinden sie sich überwiegend noch in der Entwicklungsphase. Die zukünftigen Energieszenarien, in denen sie eine Rolle spielen sollen, müssen noch klarer definiert werden. Die industrielle Nutzung dieser neuen Reaktorgenerationen wird derzeit für den Zeitraum zwischen 2030 und 2040 angestrebt.

Wir bei Alcimed beobachten die Entwicklungen rund um die Zukunft der Energieversorgung genau und begleiten Sie gerne bei Ihren Projekten zur Energiewende. Kontaktieren Sie unser Team!


Über die Autorin, 

Sarah, Consultant in Alcimeds Energie-, Umwelt- und Mobilitätsteam in Frankreich

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