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Wasserstoffzüge: 4 Herausforderungen für ihre Entwicklung in Europa

Veröffentlicht am 02 Juli 2025 Lesen 25 min

Sind Sie schon einmal mit einem Wasserstoffzug gefahren? Einige Fahrgäste konnten diese Erfahrung bereits in der Nähe von Frankfurt machen – und ab 2026 werden Wasserstoffzüge auch in anderen Regionen Europas, zum Beispiel in Auvergne-Rhône-Alpes (Frankreich) sowie in der Lombardei und in Apulien (Italien) getestet. In diesem Artikel analysieren wir von Alcimed das Potenzial von Wasserstoffzügen sowie die wichtigsten Herausforderungen bei deren Einführung in Europa.

Was ist der Vorteil von Wasserstoffzügen?

Wasserstoffzüge könnten dazu beitragen, den Schienenverkehr zu dekarbonisieren, insbesondere indem sie Dieselzüge auf nicht elektrifizierten Strecken ersetzen. Im Jahr 2021 waren knapp 40 % der Bahnkilometer in Europa und nahezu alle Strecken in den USA nicht elektrifiziert.1Rail | Observatoire européen des carburants alternatifs. (n.d.). https://alternative-fuels-observatory.ec.europa.eu/transport-mode/rail

Wasserstoffzüge bieten die Möglichkeit, Bahnstrecken ohne die Kosten einer Elektrifizierung zu dekarbonisieren und haben teilweise eine mehr als dreimal so hohe Reichweite wie batteriebetriebene Züge. So gibt die französische Umweltagentur ADEME an, dass Wasserstoff bei 34 von 52 „prioritären grünen“ Strecken (Strecken, deren emissionsärmere Gestaltung aus Umwelt- oder Klimaschutzgründen als besonders wichtig eingestuft wird) eine sinnvolle Alternative zur Elektrifizierung sein könnte.2Relever les défis de l’hydrogène – ADEME Infos. (2024, January 4). ADEME Infos. https://infos.ademe.fr/magazine-avril-2021/dossier/relever-les-defis-de-lhydrogene/

Dennoch ist der Austausch von Dieselzügen durch Wasserstoffzüge nicht einfach.

Was sind die größten Herausforderungen für die Entwicklung von Wasserstoffzügen in Europa?

Es gibt verschiedene Technologien, mit denen ein Zug mit Wasserstoff betrieben werden kann – Brennstoffzellen wie beim Coradia iLint von Alstom oder Verbrennungsmotoren wie beim RS Zero von Stadler – doch sie stoßen alle auf die gleichen Hürden bezüglich der Wasserstoffversorgung und der nötigen Infrastruktur. Darüber hinaus haben die ersten Wasserstoffzüge mit technischen und regulatorischen Schwierigkeiten zu kämpfen, die ihre Nutzung bremsen.

Herausforderung Nr. 1: Sicherstellung der Versorgung mit grünem Wasserstoff

Um wirklich zu dekarbonisieren, müssen Züge mit grünem Wasserstoff betrieben werden, der durch Elektrolyse von Wasser mit Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt wird. Für Bahnunternehmen ist die zuverlässige und kostengünstige Beschaffung von grünem Wasserstof jedoch oft schwierig.

Die Produktion von grünem Wasserstoff in Europa hinkt hinter den gesteckten Zielen her. Und der Import aus anderen Produktionsländern, wie Marokko, ist eine Option, erfordert jedoch den Aufbau von Transportinfrastrukturen und bringt geopolitische Herausforderungen mit sich. Zudem erschwert die derzeit hohe Preisschwankung von grünem Wasserstoff langfristige finanzielle Planung.

Diese Versorgungsprobleme führten beispielsweise dazu, dass auf der Regionalstrecke RB 33 einige der 14 Wasserstoffzüge vorübergehend durch Dieselzüge ersetzt werden mussten, ebenso wie auf der RB27 nur zwei Wochen nach Inbetriebnahme von sechs Wasserstoffzügen.3Martin, P. (2024, September 10). World’s first hydrogen-powered train line turns back to diesel after H2 supply disruption. hydrogeninsight.com. https://www.hydrogeninsight.com/transport/world-s-first-hydrogen-powered-train-line-turns-back-to-diesel-after-h2-supply-disruption/2-1-1707246?zephr_sso_ott=TwlkKN4Martin, P. (2025, January 2). New hydrogen trains pulled from historic German railway line after less than two weeks of operation. hydrogeninsight.com. https://www.hydrogeninsight.com/transport/new-hydrogen-trains-pulled-from-historic-german-railway-line-after-less-than-two-weeks-of-operation/2-1-1759369


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Herausforderung Nr. 2: Aufbau einer ausreichenden Infrastruktur

Es sind große Investitionen nötig, um ein dichtes Netz an Wasserstoff-Tankstellen sicherzustellen. Die Anzahl und Verteilung der derzeitigen Tankstellen schränkt die Flexibilität der Betreiber ein. Der Ausbau der Infrastruktur wird durch begrenzte Interoperabilität zusätzlich erschwert:

  • Technische Grenzen: Zum Beispiel können die gleichen Tankstellen nicht immer für Züge und Autos genutzt werden, da unterschiedliche Vorgaben gelten und die Tankzeiten für Züge zu lang wären.
  • Standortbeschränkungen: Die Tankstellen müssen vom Gleis aus schnell und einfach zugänglich sein, was bei den meisten existierenden Stationen nicht der Fall ist. Diese Herausforderung wird auch bei neuen Stationen bestehen, da unterschiedliche Nutzungsweisen konkurrieren.

Herausforderung Nr. 3: Sicherstellung der Betriebszuverlässigkeit trotz anfänglicher technischer Probleme

Der Start der ersten Wasserstoffzüge verlief nicht reibungslos: Auf der Linie RB 22 wurden 2023 fast 20 % der Fahrten wegen wiederkehrender Ausfälle gestrichen.5Martin, P. (2024, November 22). World’s largest hydrogen-only rail line to replace unreliable fuel-cell fleet with diesel trains for whole of 2025. hydrogeninsight.com. https://www.hydrogeninsight.com/transport/worlds-largest-hydrogen-only-rail-line-to-replace-unreliable-fuel-cell-fleet-with-diesel-trains-for-whole-of-2025/2-1-1743374 Nach zwei Jahren voller technischer Probleme rief Alstom die betreffenden Züge zurück, um sie zu überarbeiten, was die Betreiber dazu zwang, vorübergehend auf Dieselzüge umzusteigen.

Diese technischen Schwierigkeiten sorgten für Zweifel an der Zuverlässigkeit der Technologie und könnten die Akzeptanz von Brennstoffzellenzügen verzögern. Zwar reichen diese Vorfälle nicht aus, um die Technologie grundsätzlich infrage zu stellen, doch die wahrgenommene mangelnde Reife kann derzeit dazu führen, dass Betreiber von Bahnflotten zögern, in Wasserstoffzüge zu investieren.

Herausforderung Nr. 4: Schaffung eines regulatorischen Rahmens und technischer Standards

Die Zulassung von Wasserstoffzügen und zugehörigen Infrastrukturen ist für Hersteller, Betreiber und Infrastrukturverwalter oft eine große Herausforderung. In Europa gibt es noch keinen spezifischen, standardisierten Rechtsrahmen für diese neue Technologie. Das führt zu langwierigen und unsicheren Genehmigungsverfahren, da jedes Projekt individuell bewertet wird.

Ebenso hemmt das Fehlen operativer technischer Standards die Nutzung von Wasserstoff im Schienenverkehr. Für jedes Projekt müssen die lokalen Bedingungen für die Nutzung von Wasserstoff, abhängig von Infrastruktur und Fahrzeug, individuell geprüft werden. Die Pflicht zur Risikoanalyse und Entwicklung technischer, logischer und operativer Schnittstellen im Einzelfall verlängert die Projektlaufzeit und verursacht zusätzliche Kosten.

Der Schienenverkehr ist der emissionsärmste Fernverkehr: Er verursacht weltweit nur etwa 1 % der Verkehrsemissionen.6Rail – IEA. (n.d.). IEA. https://www.iea.org/energy-system/transport/rail Die Europäische Union hat ihn zur zentralen Säule ihrer Mobilitätsstrategie gemacht und plant, den Schienengüterverkehr bis 2050 zu verdoppeln.7Mobility strategy. (n.d.). Mobility and Transport. https://transport.ec.europa.eu/transport-themes/mobility-strategy_en Um Treibhausgasemissionen zu reduzieren, sollte der Fokus in den kommenden Jahren vor allem auf einer Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene liegen, statt allein auf die Dekarbonisierung.

Das bedeutet aber nicht, dass die Bahnindustrie sich auf ihren Lorbeeren ausruht. Sowohl Betreiber als auch Hersteller haben sich ambitionierte Ziele zur CO₂-Reduktion gesetzt.

Wasserstoffzüge könnten eine praktikable, sinnvolle und wettbewerbsfähige Alternative sein, um Dieselzüge auf bestimmten nicht elektrifizierten Strecken zu ersetzen und so die Flotten grüner zu machen. Dafür sind jedoch einige Voraussetzungen nötig: der großflächige Ausbau von Wasserstoff und der zugehörigen Infrastruktur in ganz Europa, die Verbesserung der Zuverlässigkeit der Technologien sowie die Einführung eines klaren regulatorischen Rahmens und technischer Standards, die eine echte Wettbewerbsfähigkeit ermöglichen.

Wasserstoff ist nicht der einzige Ansatz, um Emissionen zu reduzieren. Batteriebetriebene Züge und bedarfsgerechte Elektrifizierung, grüne Kraftstoffe, Energieeffizienz durch die Nutzung von Daten und KI sowie neue Materialien sind vielversprechende Innovationsfelder, um den Schienenverkehr zu dekarbonisieren und die Umweltbelastung zu verringern.

Unser spezialisiertes Team für Mobilität und Energie verfolgt die Entwicklungen in diesem Bereich genau und begleitet Sie gerne bei Ihren Projekten. Kontaktieren Sie unser Team.


Über die Autorin, 

Juliette, Senior Consultant in Alcimeds Energie-, Umwelt- und Mobilitätsteam in Frankreich

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