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Umweltexposition: das Konzept des Exposoms, seine Anwendung und Fragen der öffentlichen Gesundheit

Veröffentlicht am 13 März 2023 Lesen 25 min

Das Östrogen Diethylstilbestrol (DES oder Distilben) verursacht Krebs und Endometriose bei schwangeren Frauen; Ernährung und Bewegungsmangel tragen zur Adipositas-Epidemie bei; Tabak ist die Hauptursache für Lungenkrebs; Allergene und chemische Schadstoffe führen zur Entwicklung von Asthma; hormonaktive Substanzen sind verantwortlich für verminderte Fruchtbarkeit und Entwicklungsverzögerung bei Kindern.

74% der Todesfälle weltweit sind auf chronische Krankheiten zurückzuführen, die von der WHO als Epidemien eingestuft werden (z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Atemwegserkrankungen, Diabetes). Die Ursache dieser Erkrankungen ist eine Kombination verschiedener genetischer und nicht-genetischer Faktoren, denen wir täglich ausgesetzt sind. Während die genetischen Faktoren bekannt sind, sind die nicht-genetischen Einflüsse meist unbekannt. Nach Angaben der WHO ist jedoch jeder vierte Todesfall auf Umwelteinflüsse zurückzuführen, jeder sechste auf Verschmutzung durch Chemikalien. In diesem Artikel geht Alcimed auf die Problematik und das Konzept des Exposoms ein und untersucht die Versprechen und neuen Möglichkeiten, die es für zukünftige Innovationen bietet.

Was ist das Exposom?

Professor Christopher Paul Wild führte 2015 das Konzept des Exposoms (engl.: exposome) als die „Gesamtheit der Expositionen, denen ein Mensch von der Empfängnis bis zum Tod ausgesetzt ist“ ein. Es ist eine komplexe und dynamische Darstellung der Expositionen, mit denen eine Person im Laufe ihres Lebens in Berührung kommt, und umfasst chemische, mikrobiologische und physikalische Einflüsse sowie Freizeiteinflüsse, Drogenkontakt, den Lebensstil, die Ernährung und Infektionen.

Das Konzept setzt sich aus 3 Komponenten zusammen:

  • Interne Expositionen, zu denen exogene Moleküle, die im Menschen vorhanden sind, und ihre Umwandlungsprodukte wie Hormone, entzündliche Stressmarker und Metabolite gehören.
  • Spezifische externe Expositionen, einschließlich Chemikalien und Umweltschadstoffe, Ernährung, Tabak und Drogen.
  • Allgemeine externe Expositionen, einschließlich sozialer, wirtschaftlicher, psychologischer und klimatischer Einflüsse.

Das Exposom: ein Problem der öffentlichen Gesundheit und ein Blick auf wichtige öffentliche Forschungsinitiativen in Europa

Während die Genomforschung in den letzten Jahrzehnten zu einem umfassenden Verständnis der genetischen Determinanten zahlreicher Gesundheitsprobleme geführt und den Weg für neue Behandlungsmethoden wie der Gentherapie geebnet hat, integriert die öffentliche Politik nun nach und nach das Konzept des Exposoms in Forschungsprogramme und Anliegen der öffentlichen Gesundheitsfürsorge. Diese Studien können zu einer besseren Prävention chronischer Erkrankungen führen, indem die Vorschriften für das Inverkehrbringen von Chemikalien und die Umweltvorschriften und -empfehlungen angepasst werden.

Die Charakterisierung der verschiedenen Komponenten (Umwelteinflüsse, …), ihre Wechselwirkungen und die Messung ihrer Auswirkungen auf die Entstehung von Gesundheitsproblemen beim Menschen sind die aktuellen Herausforderungen für Forschungsteams, die sich mit diesem Thema befassen. Auf europäischer Ebene umfasst das „European Human Exposome Network“ 9 Projekte in 24 Ländern für den Zeitraum 2020-2025, die vom Programm Horizont 2020 mit mehr als 100 Millionen Euro gefördert werden. In Frankreich hat Inserm das „France Exposome“ ins Leben gerufen, eine Forschungsinfrastruktur zur Strukturierung und Förderung der wissenschaftlichen Gemeinschaft, die auf diesem Gebiet arbeitet und forscht. Darüber hinaus startet die Universität Montpellier in Zusammenarbeit mit zahlreichen Partnern (darunter das CNRS, das Inserm, das Universitätsklinikum Montpellier und die Region Okzitanien) in diesem Jahr eine Projektausschreibung für die Gründung eines Instituts für Forschung und Ausbildung auf dem Gebiet der Exposome mit dem Namen ExposUM.

Welche Vorteile bietet das Exposom?

Das Exposom und die Entwicklung von Umweltintelligenz

Unternehmen, die Produkte und Dienstleistungen im Bereich der Umweltintelligenz entwickeln, indem sie Umweltmessungen, vernetzte Objekte und Modellierung miteinander kombinieren, zielen darauf ab, der Öffentlichkeit ein besseres Verständnis über die Auswirkungen der Umwelteinflüsse auf die menschliche Gesundheit und den Körper zu vermitteln und eine bessere Kontrolle der Exposition zu ermöglichen.

Unternehmen wie BreezoMeter oder Meersens haben Lösungen für die Analyse von Umweltfaktoren wie z. B. Qualität von Luft und Wasser, Pollenflug, Wellen, Sonneneinstrahlung und Lärm entwickelt. Kurz gesagt, Daten werden aggregiert, um alle Umweltbelastungen zu messen, die sich auf ihren Gesundheitszustand auswirken können.

Diese Dienste richten sich nicht nur an individuelle Nutzer, sondern auch an Unternehmen und öffentliche Organisationen im Rahmen ihrer CSR-Politik oder bei der Planung intelligenter Städte. Einige Pharmaunternehmen nutzen diese Dienste, um die Auswirkungen des Exposoms auf die menschliche Gesundheit und den Körper zu überwachen.

Anwendung des Konzepts in der Kosmetikindustrie

Die Kosmetikindustrie ist Vorreiter bei der Anwendung des Konzepts auf Produkte und Dienstleistungen für die breite Öffentlichkeit. Gesunde Haut fungiert als Barriere zwischen der Außenwelt und dem Inneren unseres Körpers. UV-Strahlung, Umweltverschmutzung, schlechte Ernährung und Schlafmangel tragen zur Hautalterung bei.

Gleichzeitig verändern klimatische Veränderungen, psychischer Stress und hormonelle Schwankungen die Funktion der Hautbarriere. Lösungen werden auf verschiedenen Ebenen entwickelt, von der Exposition bis zum Schutz:

  • L’Oréal arbeitet mit BreezoMeter zusammen, einem führenden Unternehmen im Bereich „Climate Technology“ mit einer innovativen Umweltinformationsplattform, um die Zusammenhänge zwischen Umweltexposition und Hautalterung aufzudecken.
  • Vichy (L’Oréal) hat SkinConsultAI.com entwickelt, eine auf künstlicher Intelligenz basierende personalisierte Diagnosetechnologie, die Anzeichen der Hautalterung aufgrund verschiedener Expositionen erkennt und spezifische Hautpflegeprotokolle vorschlägt.
  • Microphyt bietet Renouvellance an, einen biomimetischen Inhaltsstoff aus Mikroalgen, der die kombinierte Wirkung von UV-Strahlung und Umweltverschmutzung auf die Haut bekämpft.

Das Exposom im Zentrum der Prävention und Behandlung chronischer Krankheiten

Das Ziel dieser Studien ist die Entwicklung personalisierter Diagnosen und Behandlungen, ähnlich wie die Genomforschung zur Gentherapie geführt hat.

Auch andere Branchen, wie z. B. der Gesundheitssektor, nutzen das Konzept für ihre Forschung und Innovation. Im Mittelpunkt dieser Anwendungen steht die Prävention chronischer Leiden, insbesondere durch die oben genannten Dienste der Umweltintelligenz. Darüber hinaus ist die Entwicklung der Präzisionsmedizin zur Diagnose und Behandlung komplexer Erkrankungen, deren Ursachen mit dem Exposom in Verbindung gebracht werden, ein wichtiges Ziel des Sektors. LinusBio hat die biologischen Prozesse und Mechanismen beschrieben, die an einigen dieser chronischen Krankheiten wie Autismus, Schizophrenie und der Lou-Gehrig-Krankheit mitwirken.
Diese Studien haben zur Definition von Exposom-Biomarkern für genannte, chronischen Leiden geführt. Ein wichtiger Fortschritt war die Entwicklung des ersten Diagnosegeräts für Autismus, StrandDxTM-ASD, das den Nachweis molekularer Biomarker aus Haaren ermöglicht. Das Ziel dieser Studien ist die Entwicklung personalisierter Diagnosen und Behandlungen, ähnlich wie die Genomforschung zur Gentherapie geführt hat.


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Welche Herausforderungen müssen bewältigt werden, um die großen Versprechen einzulösen?

Die Erforschung des Exposoms repräsentiert eine unendliche Anzahl von Variablen, einschließlich aller nicht-genetischen Umweltfaktoren, denen jeder Mensch im Laufe seines Lebens dynamisch ausgesetzt ist. Daher sind große Herausforderungen zu bewältigen, um eine Charakterisierung des Konzepts zu erreichen, wie sie heute für das Genom vorliegt:

  • Die Menge und Vielfalt der Expositionen und ihre räumliche und zeitliche Variation: Die Kartierung des gesamten Exposoms ist sehr aufwendig und erfordert den kombinierten Einsatz verschiedener Hochdurchsatz-Analysemethoden, die Entwicklung neuer Standards und die Berücksichtigung synergistischer Effekte zwischen verschiedenen Expositionen.
  • Umgang mit großen Datenmengen: Das Sammeln, Aggregieren und Analysieren der großen Datenmengen, die durch all diese Messmethoden erzeugt werden, ist eine der größten Herausforderungen der Exposomanalyse.
  • Der zeitliche Rahmen der erforderlichen Studien: Kausale Zusammenhänge zwischen Expositionen und Erkrankungen wurden bereits nachgewiesen, aber die kumulativen und kombinierten Wirkungen vieler Expositionen sind aufgrund der Neuheit dieses Forschungsgebietes und der Notwendigkeit von Langzeitstudien weitgehend unbekannt.

Seit Jahren ist bekannt, dass viele Krankheiten nicht vererbt werden, sondern durch unsere Umwelt und alle Expositionen, mit denen wir in Berührung kommen, verursacht und ausgelöst werden. In diesem Zusammenhang ermöglicht die Exposomanalyse, nicht-genetische Biomarker für chronische Leiden zu definieren und Ansätze, sowohl für deren Prävention als auch für die Entwicklung neuer Therapien, zu charakterisieren.

Unsere Teams bei Alcimed haben eine Leidenschaft für diesen Bereich und helfen unseren Kunden aus der Pharma- und Chemieindustrie, die damit verbundenen Fragen besser zu verstehen! Zögern Sie nicht, unser Team zu kontaktieren!


Über die Autorin, 

Ana, Consultant in Alcimeds Life Sciences Team in Frankreich

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