Was sind Radiopharmazeutika?
Radiopharmazeutika sind Arzneimittel, die aus drei Komponenten bestehen: einem radioaktiven Isotop (Radioisotop), einem Trägermolekül und einem Linker, der beide miteinander verbindet. Das Radioisotop – ein instabiles chemisches Element – sendet nachverfolgbare Strahlung aus (meist Alpha-, Beta- oder Gammastrahlen), die Substanzen verändern kann, mit denen es in Kontakt kommt. Das gewählte Radioisotop bestimmt die Art der abgegebenen Strahlung und somit die Anwendung des Medikaments. Das Trägermolekül bringt das Radioisotop gezielt zu einem bestimmten Gewebe oder Organ, indem es an eine biologische Verbindung bindet (z. B. FDG, PSMA-Ligand).
Welche Anwendungsmöglichkeiten gibt es für Radiopharmazeutika?
Radiopharmazeutika werden für diagnostische, therapeutische und theranostische Zwecke eingesetzt, vor allem in der Onkologie und Neurologie – beispielsweise bei Alzheimer oder Epilepsie.
Eine Analyse des Radiopharmazeutika-Marktes zwischen 2018 und 2023 zeigt: Diagnostika werden hauptsächlich in der Neurologie/Psychiatrie (54 %) und der Onkologie (31 %) genutzt, vor allem durch Bildgebungsmarker wie 68Ga für nuklearmedizinische Techniken wie Szintigrafie, SPECT und PET. Therapeutika werden insbesondere in der Onkologie eingesetzt und basieren auf Radioisotopen wie 177Lu, deren abgegebene Strahlung gezielt zur Zerstörung von unerwünschten Zellen eingesetzt wird. In der Onkologie (selten auch bei gastrointestinalen und endokrinen/metabolischen Erkrankungen) können Diagnostika und Therapeutika in einem „See-and-Treat“-Ansatz kombiniert werden – der sogenannten Theranostik. Dabei werden Isotopenpaare wie 68Ga/177Lu oder unterschiedlich markierte oder dosierte Moleküle verwendet. Zunächst erfolgt die Diagnose, um die Erkrankung sichtbar zu machen und die Eignung des Patienten für eine bestimmte Therapie einzuschätzen. Anschließend wird ein therapeutisches Radiopharmazeutikum basierend auf diesen Ergebnissen verabreicht. Die Theranostik ermöglicht die Prognose von Therapieansprechen und potenziellen Nebenwirkungen.
In der Praxis erfordert der Einsatz von Radiopharmazeutika das Zusammenspiel verschiedener Experten entlang der Lieferkette: von der Radioisotopenproduktion durch Nuklearingenieure (etwa mit Reaktoren oder Zyklotronen), über die Radiomarkierung durch Radiopharmazeuten, den Transport in Kliniken, bis hin zur Anwendung und Überwachung durch Nuklearmediziner, Strahlentherapeuten, Pflegepersonal und medizinische Technologen.
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Der Radiopharmazeutika-Markt – ein dynamisches und wettbewerbsintensives Umfeld…
Der Radiopharmazeutika-Sektor war in den fünf Jahren von 2018 bis 2023 äußerst dynamisch, da es zahlreiche Zulassungen und Übernahmen durch Biopharma- und Nuklearmedizin-Unternehmen gab. Rund 86 strategische Transaktionen wurden abgeschlossen, sowohl im diagnostischen Bereich (z. B. Illuccix® und Pylarify®/Pylclari® im Jahr 2021, Posluma® im Jahr 2023) als auch bei Therapeutika (z. B. Lutathera® im Jahr 2018).
Zu den bislang prägenden Akteuren in diesem Markt gehören große Pharmakonzerne wie Bayer und Novartis sowie spezialisierte Nuklearmedizin-Unternehmen wie Fusion Pharmaceuticals und Curium Pharma. Neue große Pharmaunternehmen drängen aktuell durch Übernahmen in den Markt: So kaufte BMS im Dezember 2023 RayzeBio für 4,1 Milliarden USD, und AstraZeneca übernahm Fusion Pharmaceuticals im März 2024 für 2,4 Milliarden USD. Heute vertreiben unter anderem Bayer, BMS, Eli Lilly und AstraZeneca therapeutische Radiopharmazeutika, während Novartis ein umfassendes Portfolio anbietet – mit Produkten in den Bereichen Diagnostik (Locametz®, 2022), Therapie (Pluvicto®, 2022) und Theranostik.
Das Marktwachstum wird durch die Zunahme von neurologischen Erkrankungen und Krebserkrankungen sowie durch Fortschritte in der Bildgebungstechnologie vorangetrieben. Laut der Internationalen Agentur für Krebsforschung wird die Zahl der Krebsfälle bis 2050 auf 35,3 Millionen steigen – ein Anstieg um 76 % gegenüber 2022. Gleichzeitig nimmt die Zahl der PET-Scanner zu: Eine Eurostat-Studie zeigt, dass Frankreich zwischen 2002 und 2020 von 5 auf 183 PET-Scanner aufgerüstet hat. Auch die Ausstattung in anderen europäischen Ländern verbessert sich.
…mit 3 zentralen Herausforderungen
Herausforderung Nr. 1: Produktions- und Logistikbarrieren abbauen
Für die Herstellung von Radiopharmazeutika werden oft Generatoren als Quelle für Radioisotope benötigt. Diese Geräte sind teuer, erfordern spezielle Zulassungen und sind nicht in allen Einrichtungen verfügbar. Eine gesicherte Versorgung mit qualitativ hochwertigen Radiopharmazeutika stellt daher eine Herausforderung dar. Hinzu kommt: Die Haltbarkeit beträgt nur wenige Minuten bis maximal zehn Tage – was eine schnelle Lieferung, effiziente Versandmethoden und eine skalierbare, bedarfsorientierte Produktion erfordert. Auch die Entsorgung ist streng reguliert, da der Umgang mit radioaktiven Stoffen besondere Vorkehrungen erfordert.
Zur Bewältigung dieser Herausforderungen wurde beispielsweise der Aktionsplan SAMIRA (Strategic Agenda for Medical Ionising Radiation Applications) ins Leben gerufen – der erste umfassende Plan der EU, der die Qualität und Sicherheit der Strahlentechnologie in der Diagnostik und Krebsbehandlung fördern soll. Unterstützt wird SAMIRA durch Programme wie EU4Health. Zudem hat der Europäische Rat im Juni 2024 Schlussfolgerungen verabschiedet, um die Versorgung mit Radioisotopen im medizinischen Bereich sicherzustellen – mit der Aufforderung an die Kommission, insbesondere die Marktüberwachung und Bedarfsprognose zu verbessern.
Herausforderung Nr. 2: klinische Expertise und Kapazitäten ausbauen
Die Herstellung und Anwendung von Radiopharmazeutika erfordert spezielles nuklearmedizinisches Fachwissen und entsprechende Zertifizierungen. Weltweit besteht ein erheblicher Mangel an qualifizierten Fachkräften – insbesondere in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen. Laut Weltbank gibt es in Ländern mit hohem Einkommen im Schnitt 100-mal mehr Nuklearmediziner als in Ländern mit mittlerem Einkommen.
Entsprechende Ausbildungswege und Schulungen sind entscheidend, um diesem Mangel entgegenzuwirken. Der globale Initiativ-Ausschuss der Society of Nuclear Medicine and Molecular Imaging (SNMMI) hat daher von 2018 bis 2022 ein Projekt durchgeführt, um weltweite Bildungsangebote im Bereich Theranostik zu evaluieren. Auch Organisationen wie das European Nuclear Education Network (ENEN) engagieren sich für die Förderung nuklearmedizinischer Kompetenzen in Europa.
Herausforderung Nr. 3: Nuklearmedizin aus der Nische holen
Damit Radiopharmazeutika in der breiten Versorgung ankommen, müssen sowohl Patienten als auch medizinische Entscheidungsträger von ihrem Nutzen überzeugt sein. Problematisch ist, dass Nuklearmediziner in interdisziplinären Teams oft unterrepräsentiert sind und nur begrenzt in therapeutische Entscheidungsprozesse eingebunden werden. So wird etwa im Bereich Prostatakrebs das Potenzial nuklearmedizinischer Fachkenntnisse – etwa beim Auswerten von PET-Scans oder bei der Anwendung theranostischer Konzepte – noch längst nicht ausgeschöpft.
Hier können gezielte Aufklärung und Förderung durch europäische Programme wie PRISMAP (ein Projekt zur Versorgung mit innovativen Radioisotopen) Abhilfe schaffen und das Interesse an der Nuklearmedizin stärken.
Radiopharmazeutika haben enormes Potenzial – insbesondere vor dem Hintergrund steigender Krebszahlen und der Zunahme neurologischer Erkrankungen. Sie verbinden Diagnose und Therapie in einem innovativen Ansatz. Um ihr volles Potenzial auszuschöpfen, braucht es Maßnahmen für eine bessere Bedarfsprognose, eine verlässliche Versorgung sowie den Ausbau fachlicher Kompetenzen.
Wir begleiten Sie gerne dabei, sich in diesem dynamischen Umfeld erfolgreich zu positionieren. Zögern Sie nicht, unser Team zu kontaktieren!
Über die Autorin,
Mariam, Consultant in Alcimeds Healthcare Team in Frankreich